Ex-Profi Michael Berrer: „Ob Manager oder Profisportler, die Erfolgsfaktoren sind die gleichen“

Michael Berrer hat 17 Jahre lang Profitennis gespielt und gehörte zu den besten 50 Profis weltweit. Heute arbeitet der studierte Psychologe als Coach und Unternehmensberater und ist Turnierbotschafter für die BOSS Open in Stuttgart. Im DTB-Interview spricht er über die Angst von Tennisspielern, erklärt die Verbindung zwischen Profisport und Geschäftsleben und gibt jungen Talenten Tipps mit auf den Weg.
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Herr Berrer, diese Woche finden die BOSS Open in Stuttgart statt, für die Sie als Turnierbotschafter arbeiten. Welche Aufgabe haben Sie in dieser Rolle?

Als Turnierbotschafter geht es für mich in erster Linie darum, dass die Spieler sich wohlfühlen und unsere Partner zufrieden sind. Wir ermöglichen den Spielern in dieser Woche beispielsweise, dass sie einen Porsche Turbo testfahren oder bei Hugo Boss shoppen gehen dürfen. Durch die starke Aktivierung unserer Partner vor Ort, schaffen wir ein gutes Klima für Spieler und Sponsoren. Wenn Sportler zufrieden sind, bringen sie bessere Leistung, was dann wiederum gut für das Turnier und die Zuschauer ist.

Sie haben 17 Jahre lang Profitennis gespielt und haben 2016 ihre aktive Karriere beendet. Gibt es etwas, dass Ihnen auffällt, wenn Sie das Tennis heute, mit dem von vor zehn Jahren vergleichen?

Die Teams, die die Spieler begleiten werden immer größer und das Spiel ist noch einmal deutlich schneller geworden. Um ehrlich zu sein, finde ich es manchmal ein bisschen eindimensional. Es dominieren viele harte Schläge, wobei die Finesse dabei leider manchmal ein wenig auf der Strecke bleibt.

Neben ihrer Tätigkeit als Turnierbotschafter in Stuttgart, arbeiten Sie heute als Coach und Unternehmensberater. Gemeinsam mit der ATP bieten sie für die Tennisspieler unter anderem ein Business Weiterbildungsprogramm an. Warum ist das wichtig? 

Das Programm liegt mir wirklich sehr am Herzen. Wir wollen nicht, wie ich es oft aus dem Fußball höre, dass ehemalige Profis wenige Jahre nach ihrer Karriere zahlungsunfähig sind. Ich habe aus erster Hand erfahren, wie wichtig Bildung war und immer noch ist. Das ATP Business Education Programme führt Spieler in die Grundlagen des Sportbusiness ein und bietet ihnen Input von Top-Unternehmern aus verschiedenen Branchen. Diese Fähigkeiten und Kenntnisse werden ihnen während und nach ihrer Karriere enorm helfen.

Inwiefern?

Die Spieler sind oftmals in ihrer kleinen Welt des Tennis gefangen. Es existieren bei ihnen viele Ängste, wie es eigentlich nach der Sportlerkarriere weitergeht. Das Programm ist ein Invest in den Sport und die Sportler. Jan-Lennard Struff ist ein gutes Beispiel. Er hat an dem Programm teilgenommen und direkt nach dem Kick-off in Madrid im vergangenen Jahr wieder den Durchbruch geschafft und ist jetzt in den Top 30 etabliert. Er hat berichtet, dass das Programm ihm die wichtige Sicherheit und Ruhe gegeben hat, dass es auch nach der aktiven Karriere noch viele Möglichkeiten gibt.

Welche Möglichkeiten könnten das sein?

Tennisprofis oder Profisportler im Allgemeinen werden beispielsweise oft mit offenen Armen von Unternehmensberatungen genommen. KPMG hat ein eigenes Ausbildungsprogramm für Sportler, weil sie wissen, dass Sportler wichtige Eigenschaften wie Durchhaltevermögen und Disziplin mitbringen. Das sind die Attribute, die heute in der freien Wirtschaft sehr gefragt sind.

Welche konkreten Tipps würden Sie Tennisprofis geben, um auf die Zeit nach der aktiven Karriere vorbereitet zu sein?

Das Erste ist überhaupt einmal einen Raum zu schaffen, um über die Angst zu sprechen, was danach kommt. Das schafft die Möglichkeit, diese Ängste auch mit der Realität abzugleichen. Ist das wirklich eine begründete Furcht, die ich hier habe? Ich bin ein gutes Beispiel. Ich habe mir während den letzten Jahren meiner Karriere so viele unbegründete Sorgen darüber gemacht, wie ich danach mein Geld verdienen soll. Man muss einfach akzeptieren, dass dies ein dynamischer Prozess ist und das danach etwas Neues kommt.

Ist Angst im Sport ein Tabuthema?

Jeder Mensch hat vier Grundgefühle. Wut, Freude, Traurigkeit und Angst. Im Sport oder im Top-Management darf man über Angst und Traurigkeit aber niemals reden. Aber wenn wir darüber nie sprechen, wie wollen wir dann Lösungen schaffen? Jeder Sportler hat eine Halbwertszeit, die irgendwann zu Ende geht. Und jeder Sportler macht sich Gedanken, ob er nach seiner Sportkarriere noch einmal so eine Passion findet. Das muss thematisiert werden.

Was kann der Sportler selbst dazu beitragen, dass diese Angst kleiner wird?

Es ist gut möglich neben der Karriere zu studieren oder online Fortbildungen zu machen. Es kann sogar eine weitere gute Quelle für das eigene Selbstbewusstsein sein, wenn ich mich nicht mehr nur über den Sport definiere. Ich habe mich oft nach Niederlagen in mein Hotelzimmer gesetzt und studiert. Auch ein gutes Netzwerk ist wichtig. Ich kann nur jedem Sportler raten, sich schon während der Karriere ein Netzwerk aufzubauen. Es gibt so viele CEOs in Deutschland, die begeistert Tennis spielen und von einer Partnerschaft mit einem Sportler ebenfalls profitieren würden.

Sie waren als Tennisprofi und Unternehmer erfolgreich. Was sind ihrer Meinung nach die Eigenschaften, die es braucht, um im Sport und im Geschäftsleben erfolgreich zu sein?

Ob Manager oder Profisportler, die Erfolgsfaktoren sind die gleichen. Für mich sind es vier Pfeiler, die es braucht, um im Sport und in der Geschäftswelt Erfolg zu haben. Motivation, Resilienz, Fokus und Teaming. Erstens Motivation. Ich muss genau wissen, was meine Vision und mein Ziel sind. Eine Vision ist der ultimative Traum, wo ich mal hinmöchte. Die meisten Tennisspieler mit denen ich arbeite, können mir ihre Vision nicht klar formulieren, weil sie Angst haben es auszusprechen. Wenn du deinen Träumen keinen Raum gibst, limitierst du dich selber. Wenn ein Kind sagt, ich möchte mal die Nummer eins in der Welt werden, kriegt es oft zu hören: „Ja, dann gewinn doch erstmal die Bezirksmeisterschaft!“ Aber so fliegt es halt nicht. 

Der zweite Pfeiler?

Resilienz. Im Tennis muss man sich bewusst machen, dass man in der Regel einmal pro Woche verliert. Ich habe in meiner Karriere 14 Turniere gewonnen. In der restlichen Zeit habe ich verloren. Ganz einfach. Das ist das Leben eines Tennisprofis und ich muss lernen damit umzugehen. Dafür gibt es Handwerkszeug.

Der dritte Pfeiler ist Fokus. In einer Welt von Instagram und einer immer kleiner werdenden Aufmerksamkeitsspanne, muss ich es schaffen, mich wieder über einen längeren Zeitraum konzentrieren zu können. Und das vierte ist Teaming. Teaming heißt Zusammenarbeit ohne Hierarchien. Ich lerne viel mehr, wenn ich mich mit meinen vermeintlichen Konkurrenten austausche und wir uns gegenseitig Tipps geben, anstatt uns zu bekämpfen.

Was können Sie jungen Nachwuchstalenten auf dem Weg zum Tennisprofi mitgeben?

Ich war ein Spätstarter und bin mit 18 aus den Förderstrukturen des DTB geflogen. Ich war nicht diszipliniert genug und bin nicht All-in gegangen. Erst mit 21 Jahren, als das Umfeld gepasst hat, ging es wieder bergauf. Ein inspirierendes Umfeld mit Menschen, die wirklich abliefern und wissen wovon sie sprechen, ist enorm wichtig. Menschen lieben ihre Komfortzone. Es braucht ein Umfeld, dass sie dort rausholt, ohne sie kaputt zu machen. Und die Spieler müssen selbst Verantwortung übernehmen, in dem sie klar sagen: Ich lebe Tennis und ich gebe alles. Das heißt nicht, dass sie 18 Stunden am Tag trainieren müssen. Aber es braucht 100 Prozent Commitment, ansonsten wird es nicht funktionieren.

Was ist Ihnen sonst noch wichtig loszuwerden?

Keiner zwingt uns Tennis zu spielen, es ist eine Wahl. Und wenn ich auf Jugendturnieren unterwegs bin und keinen Spieler mehr lachen sehe, macht mich das traurig. Wir müssen versuchen, wieder Freude am Spiel zu entwickeln. Tennis soll Spaß machen.

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