Sie werden den Kongress mit einigen Zukunftsprojektionen eröffnen. Können Sie uns schon erste Einblicke geben, worum es in Ihrem Vortrag gehen wird?
Ich schaue mir an, wie neue Technologien und sozialer Wandel den Sport in Zukunft verändern werden. Dabei gibt es drei Dimensionen. Den Athleten, der durch künstliche Intelligenz, Robotik und das Metaverse in seiner Wettkampfvorbereitung, im Training und in der Reha beeinflusst wird.
Dann die Fans und Sportkonsumenten, auf die neue Technologien große Einflüsse haben. Fans bekommen in Zukunft viel mehr Daten und können ein Spielgeschehen individueller verfolgen und mitgestalten.
Und die dritte Dimension?
Das ist das Management des Sports. Also wie sich Tennisvereine, Ligen, Turniere und Verbände entwickeln.
Im Profibereich nehmen Zukunftstechnologien schon jetzt Einfluss, andere Bereiche des Tennissports wie zum Beispiel die Digitalisierung in Tennisvereinen hinken etwas hinterher. Warum ist das so?
Das ist normal. Im Profisport haben neue Technologien den größten Einfluss, weshalb sie hier auch als erstes ihre Anwendung finden. Zudem ist im Profisport am ehesten das Geld vorhanden, um zu experimentieren. Über die Jahre sieht man dann, dass Technologien in den Massenmarkt vordringen.
Werden Freizeitspieler irgendwann auf alle Technologien zugreifen, die auch Profisportler nutzen?
Nein. Nicht alles, was im Spitzensport genutzt wird, landet auch beim Hobbyspieler – da findet ein Filterprozess statt. Erst dadurch erkennt man, ob die Dinge auch wirklich einen Nutzen haben und ob die Produkte auf dem Freizeitmarkt funktionieren. Der Spitzensport ist das Testlabor.
Welche Technologien werden zeitnah getestet?
Schon bald werden digitale Zwillinge Trainingsmethoden simulieren. So kann ein Tennisspieler analysieren, wie sich unterschiedliche Trainingseinheiten auf sein Spiel auswirken.
Und in 20 bis 30 Jahren? Wie sieht der Tennissport dann aus?
In 20 Jahren werden neben dem Menschen humanoide Roboter auf dem Tennisplatz stehen, die sich an den Spielstil eines Profis anpassen. Alexander Zverev kann sich dann auf ein Match gegen Novak Djokovic vorbereiten, indem ein Roboter den Aufschlag, den Spin und die gesamte Spielweise von Djokovic nachahmt.
Die Entwicklung geht aber bis hin zu Nanobots, die Spieler in der Blutbahn haben. Wenn sich dann also die Enkel von Nadal und Federer im Wimbledonfinale gegenüberstehen, werden Fans über ein Live-Voting entscheiden können, welcher der beiden Spieler über die Nanobots einen Energieschub bekommen soll.
Das klingt fast wie ein Videospiel.
Ja, das klingt erst einmal abgefahren, ist aber keine Utopie. Hier kommt der soziale Wandel ins Spiel. Die Präferenzen bei Fans und Sportkonsumenten ändern sich. Deshalb muss man sich als Sportart schon die Frage stellen, ob sich Sportformate und Regelwerke verändern müssen.
Wie denn zum Beispiel?
Da gibt es eine Menge Überlegungen. Vielleicht sehen wir schon bald Tennismatches zwischen Menschen und Robotern – zumindest solange der Roboter noch zu besiegen ist. Im Schach zum Beispiel kann der Mensch schon gar nicht mehr gewinnen.
Wird dann der Sport irgendwann nur noch durch Roboter simuliert und wir schauen dabei zu?
Nein, so schlecht steht es um die Sportarten nicht. Ich bin überzeugt, dass es ein Grundbedürfnis des Menschen ist, sich zu bewegen. Das kann ich durch ein Videospiel oder durch Roboter nicht ersetzen. Und obwohl alles individueller und flexibler wird, gibt es den Wunsch nach Gemeinschaftserlebnissen.
Den Tennisverein wird es also weiterhin geben?
Das ja, aber er muss sich anpassen. Zum Beispiel durch neue Angebote, wie das aktuell mit Padelplätzen passiert. Zudem werden Vereine zukünftig nur funktionieren, wenn es nicht nur ums Tennisspielen geht, sondern auch darum, Leute zu treffen, Spaß zu haben und Party zu machen. Sport und Entertainment werden immer mehr verschmelzen.
Tennisdeutschland wächst seit 2021 stetig und der DTB-Präsident Dietloff von Arnim spricht von einem langanhaltenden Trend. Was muss getan werden, damit das auch in Zukunft so bleibt?
Der Sport befindet sich mit dem gesamten Freizeitmarkt im Wettbewerb um Aufmerksamkeit. Meiner Ansicht nach sieht sich der Sport da oft etwas zu engstirnig auf die eigene Sportart begrenzt. Er muss sich eher in einem Wettbewerb mit Film, Musik und den sozialen Medien sehen. Da werden Sportarten nur bestehen, wenn sie relevant und attraktiv bleiben und auch äußere Einflüsse zulassen.
Im Fußball werden mit der Baller League und der Icon League neue Wettkampfformen geschaffen. Sind das Positivbeispiele für andere Sportarten?
Diese Ligen zeigen, dass es ein Bedürfnis danach gibt, den Sport unterhaltsamer zu machen und der Community mehr Mitbestimmung einzuräumen. Leute wollen nicht mehr passiv konsumieren, sondern partizipieren. In den USA gibt es beispielsweise die ‚Fan Controlled Football League‘, die es Zuschauern ermöglicht, über Aufstellung, Transfers und Logos zu entscheiden. Das können durchaus Positivbeispiele für andere Sportarten sein.
Herr Prof. Dr. Sascha L. Schmidt, vielen Dank für das Gespräch.