ITK-Speaker Prof. Dr. Sascha L. Schmidt: „Bald spielen wir gegen Roboter“

Seinem Lieblingsspieler per Knopfdruck einen Energieschub verpassen? Oder mit einem digitalen Klon von Novak Djokovic trainieren? Was sich nach Fiktion anhört, könnte in 30 Jahren Realität auf den Tennisplätzen dieser Welt werden. Einblicke in solche und ähnliche Szenarien gibt Zukunftsforscher Prof. Dr. Sascha L. Schmidt, der 2025 beim Internationalen DTB Tenniskongress presented by HEAD einen Vortrag zur Zukunft des Tennissports halten wird.
Internationaler Trainerkongress
Deutscher Tennis Bund
Mensch gegen Roboter: Fiktion oder Zukunftsprojektion?

Herr Prof. Dr. Sascha L. Schmidt, wie ist Ihr Bezug zum Tennissport?

Ich komme aus einer Tennisfamilie und bin im Tennisverein aufgewachsen. Ab dem fünften Lebensjahr habe ich fast jedes Wochenende auf dem Platz verbracht. Mit 15 hatte ich dann mein eigenes kleines Tennisunternehmen und habe als Tennistrainer und mit dem Besaiten von Schlägern mein Studium mitfinanziert. Später habe ich in der Verbandsliga gespielt, bis ich es aufgrund von Job und Familie zeitlich nicht mehr geschafft habe.

Welchen Platz nimmt der Tennissport heute in Ihrem Leben ein?

Tennis ist immer noch meine Leidenschaft und spielt in meiner Familie eine große Rolle. Meine Frau habe ich mehr oder weniger über den Tennisverein kennengelernt. Unsere drei Söhne spielen auch Tennis. Mittlerweile stehe ich wieder regelmäßig auf dem Platz, wenn ich sie zu den Matches begleite oder selbst mit ihnen spiele.

Sie sind akademischer Leiter des Centers für Sports und Management an der WHU und arbeiten als Zukunftsforscher im Sport. Im Rahmen des Internationalen DTB Tenniskongresses presented by HEAD werden Sie den Tennissport der Zukunft skizzieren. Ist der Kongress der perfekte Ort für Ihre Keynote?

Auf jeden Fall. Ich habe selber eine C-Trainerlizenz, habe Jugendliche und Erwachsene trainiert und Summer Camps organisiert. Daher freue ich mich sehr auf den Kongress und bin gespannt, ob Trainer heute dieselben Herausforderungen haben wie noch vor 30 Jahren. Zudem möchte ich mir auf der Tennismesse einen Überblick über die neuesten Trends und Technologien im Tennis verschaffen. Von daher freue ich mich wirklich sehr auf das Wochenende.

Director of the Center for Sports and Management (CSM) an der WHU

Sie werden den Kongress mit einigen Zukunftsprojektionen eröffnen. Können Sie uns schon erste Einblicke geben, worum es in Ihrem Vortrag gehen wird?

Ich schaue mir an, wie neue Technologien und sozialer Wandel den Sport in Zukunft verändern werden. Dabei gibt es drei Dimensionen. Den Athleten, der durch künstliche Intelligenz, Robotik und das Metaverse in seiner Wettkampfvorbereitung, im Training und in der Reha beeinflusst wird.

Dann die Fans und Sportkonsumenten, auf die neue Technologien große Einflüsse haben. Fans bekommen in Zukunft viel mehr Daten und können ein Spielgeschehen individueller verfolgen und mitgestalten.

Und die dritte Dimension?

Das ist das Management des Sports. Also wie sich Tennisvereine, Ligen, Turniere und Verbände entwickeln.

Im Profibereich nehmen Zukunftstechnologien schon jetzt Einfluss, andere Bereiche des Tennissports wie zum Beispiel die Digitalisierung in Tennisvereinen hinken etwas hinterher. Warum ist das so?

Das ist normal. Im Profisport haben neue Technologien den größten Einfluss, weshalb sie hier auch als erstes ihre Anwendung finden. Zudem ist im Profisport am ehesten das Geld vorhanden, um zu experimentieren. Über die Jahre sieht man dann, dass Technologien in den Massenmarkt vordringen.

Werden Freizeitspieler irgendwann auf alle Technologien zugreifen, die auch Profisportler nutzen?

Nein. Nicht alles, was im Spitzensport genutzt wird, landet auch beim Hobbyspieler – da findet ein Filterprozess statt. Erst dadurch erkennt man, ob die Dinge auch wirklich einen Nutzen haben und ob die Produkte auf dem Freizeitmarkt funktionieren. Der Spitzensport ist das Testlabor.

Welche Technologien werden zeitnah getestet?

Schon bald werden digitale Zwillinge Trainingsmethoden simulieren. So kann ein Tennisspieler analysieren, wie sich unterschiedliche Trainingseinheiten auf sein Spiel auswirken.

Und in 20 bis 30 Jahren? Wie sieht der Tennissport dann aus?

In 20 Jahren werden neben dem Menschen humanoide Roboter auf dem Tennisplatz stehen, die sich an den Spielstil eines Profis anpassen. Alexander Zverev kann sich dann auf ein Match gegen Novak Djokovic vorbereiten, indem ein Roboter den Aufschlag, den Spin und die gesamte Spielweise von Djokovic nachahmt.  

Die Entwicklung geht aber bis hin zu Nanobots, die Spieler in der Blutbahn haben. Wenn sich dann also die Enkel von Nadal und Federer im Wimbledonfinale gegenüberstehen, werden Fans über ein Live-Voting entscheiden können, welcher der beiden Spieler über die Nanobots einen Energieschub bekommen soll.

Das klingt fast wie ein Videospiel.

Ja, das klingt erst einmal abgefahren, ist aber keine Utopie. Hier kommt der soziale Wandel ins Spiel. Die Präferenzen bei Fans und Sportkonsumenten ändern sich. Deshalb muss man sich als Sportart schon die Frage stellen, ob sich Sportformate und Regelwerke verändern müssen.

Wie denn zum Beispiel?

Da gibt es eine Menge Überlegungen. Vielleicht sehen wir schon bald Tennismatches zwischen Menschen und Robotern – zumindest solange der Roboter noch zu besiegen ist. Im Schach zum Beispiel kann der Mensch schon gar nicht mehr gewinnen.

Wird dann der Sport irgendwann nur noch durch Roboter simuliert und wir schauen dabei zu?

Nein, so schlecht steht es um die Sportarten nicht. Ich bin überzeugt, dass es ein Grundbedürfnis des Menschen ist, sich zu bewegen. Das kann ich durch ein Videospiel oder durch Roboter nicht ersetzen. Und obwohl alles individueller und flexibler wird, gibt es den Wunsch nach Gemeinschaftserlebnissen.

Den Tennisverein wird es also weiterhin geben? 

Das ja, aber er muss sich anpassen. Zum Beispiel durch neue Angebote, wie das aktuell mit Padelplätzen passiert. Zudem werden Vereine zukünftig nur funktionieren, wenn es nicht nur ums Tennisspielen geht, sondern auch darum, Leute zu treffen, Spaß zu haben und Party zu machen. Sport und Entertainment werden immer mehr verschmelzen.

Tennisdeutschland wächst seit 2021 stetig und der DTB-Präsident Dietloff von Arnim spricht von einem langanhaltenden Trend. Was muss getan werden, damit das auch in Zukunft so bleibt?

Der Sport befindet sich mit dem gesamten Freizeitmarkt im Wettbewerb um Aufmerksamkeit. Meiner Ansicht nach sieht sich der Sport da oft etwas zu engstirnig auf die eigene Sportart begrenzt. Er muss sich eher in einem Wettbewerb mit Film, Musik und den sozialen Medien sehen. Da werden Sportarten nur bestehen, wenn sie relevant und attraktiv bleiben und auch äußere Einflüsse zulassen.

Im Fußball werden mit der Baller League und der Icon League neue Wettkampfformen geschaffen. Sind das Positivbeispiele für andere Sportarten?

Diese Ligen zeigen, dass es ein Bedürfnis danach gibt, den Sport unterhaltsamer zu machen und der Community mehr Mitbestimmung einzuräumen. Leute wollen nicht mehr passiv konsumieren, sondern partizipieren. In den USA gibt es beispielsweise die ‚Fan Controlled Football League‘, die es Zuschauern ermöglicht, über Aufstellung, Transfers und Logos zu entscheiden. Das können durchaus Positivbeispiele für andere Sportarten sein.

Herr Prof. Dr. Sascha L. Schmidt, vielen Dank für das Gespräch.

Vom 3. bis 5. Januar 2025:

Das INFINITY Hotel & Conference Resort Munich wird Anfang Januar 2025 erneut Gastgeber des Internationalen DTB Tenniskongresses presented by HEAD, dem größten Weiterbildungsevent für die Tennis- und Padelcommunity in Deutschland. 

Guido Fratzke (DTB Bundestrainer Ausbildung) - Situatives Technicktraining, Internationaler DTB Tenniskongress 2023, München, Infinity Hotel & Conference Rsort München, 07.01.2023, Foto: Claudio Gärtner
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