Kinder- und Jüngstentennis zählt zu den wichtigsten Aufgaben für Vereine. Alexander Jakubec ist Lehrreferent beim Tennisverband Mittelrhein, Teil des DTB-Lehrteams und war maßgeblich bei der Vermittlung des ITF-Konzepts Play&Stay beteiligt. Im Interview verrät der 62-Jährige, auf was es bei der Arbeit mit den Kleinsten ankommt und warum nicht jede:r Trainer:in für die Arbeit mit den Jüngsten geeignet ist.
Alexander Jakubec, Sie beschäftigen sich viel mit dem Tennisnachwuchs. Wie wichtig ist – aus Trainersicht gesehen – die Arbeit mit den Kleinsten?
Durch seine Vielzahl von Aufgaben ist die Arbeit mit den Kleinsten ein äußerst umfangreiches und herausforderndes Arbeits- und Betätigungsfeld für alle Trainer:innen. Dazu gehören unter anderem den ersten wichtigen Kontakt mit der Sportart Tennis herzustellen und sie bei der Stange zu halten. Außerdem gilt es, die durch die moderne Taktung mit vollem Wochenplan gestresste Zielgruppe abzuholen und mit ihr einen sinnvollen methodischen Lern- und Trainingsprozess zu gestalten.
Homogene Gruppeneinteilungen nach Interessenslage zeitlich abzustimmen und Talente zu erkennen, herauszufiltern und zu fördern. Und dabei ständig gegen die Fluktuation und das schnelle Aufgeben oder das Umspringen auf Konkurrenzangebote anderer Sportarten anzukämpfen.
Zurzeit gibt es eine hohe Nachfrage in den Tennisvereinen und wir sollten die Chance nutzen, neue Wege zu gehen und Gegentrends einleiten. Wir müssen die Kinder möglichst lange für Tennis begeistern und das notwendige Umfeld für die breite Interessenslage von der Talententwicklung bis zur Freizeitgestaltung schaffen. Nicht zu sehr verwissenschaftlichen und übertrainieren, sondern mehr wieder das „Tennis lernen und spielen“ in den Vordergrund stellen. Und den Verein, die schönen Tennisanlagen, die gut ausgebildeten Trainer:innen und unsere Trainingsangebote sowie internen und externen Wettkampfangebote noch mehr nutzen.
Viele Vereine haben Angebote wie Mini-Clubs oder Bambinitennis im Angebot, in dem schon Kinder ab drei Jahren den Schläger schwingen. Ab welchem Alter macht es denn Sinn, mit Kindern zielgerichtet Tennis zu trainieren? Oder konkreter gefragt: Muss ich aus Perspektive der Trainingslehre als Verein auf diesen Zug aufspringen?
Ein Verein sollte sich genau überlegen, wie er aufgestellt sein möchte und welche Schwerpunkte er im Kinder- und Jugendtraining besetzen möchte. Aus meiner Sicht gibt es sehr viele Pseudoangebote und es wird oft eine unspezifische Angebotspalette vorgefunden. Leider resultieren daraus eher mehr Animationsprogramme - ohne jeglichen trainingsmethodischen Hintergrund und den notwendigen Lern- und Trainingsinhalten für die jeweiligen Zielgruppen.
Im Kindertennis geht es um das Gestalten von Lernumfelder und Lernsituationen, die zu einer breiten motorischen Grundausbildung führen. Ein möglicher Weg wäre es, für diese Zielgruppe Kooperationen mit Kindergärten oder Schulen einzugehen und Erzieher:innen oder Lehrer:innen, die es gewohnt sind, täglich mit dieser Zielgruppe umzugehen, einzubinden. Oder Trainer:innen für diese Zielgruppe zu spezialisieren und weiterzubilden.
Der Tennissport besteht aus vielen verschiedenen, teils sehr komplexen, Bausteinen. Technik, Taktik, Fitness, Psychologie – wie wichtig sind diese Faktoren im Jüngstentraining? Worauf sollte der Fokus gelegt werden?
Wenn wir die trainingsmethodische Vorgehensweise betrachten, steht sicher das Erlernen von Basistechniken in Verbindung mit der sinnvollen taktischen Lösung im Vordergrund. Und den Lern- und Trainingsprozess so nah wie möglich an den Spielsituationen im Match anzulehnen. Egal für welche Zielgruppe, Spielstärke oder Trainingsinhalten.
Dasselbe gilt dann auch für den Bereich Motorik und psychologisch orientierte Inhalte. Leider wird der Begriff „spielorientiert“ oft völlig falsch verstanden. Es geht nicht darum, den Kindern möglichst viele lustige Spiele anzubieten. Es gilt, das Training so zu gestalten. Bedeutet, einfache und später komplexere Spielsituationen mit den jeweiligen sinnvollen Lösungsangeboten sowohl auf technischer, taktischer, motorischer, mentaler und sozialer Ebene anzubieten.
Insbesondere auf der sozialen Ebene sollten wir wieder mehr Fokus auf Basiskompetenzen bei den Kindern legen. Dazu gehören für mich der Umgang mit den Gleichaltrigen in der Gruppe und die Akzeptanz des Trainers oder der Trainerin als Respektperson. Auch die Bereitschaft, den Trainingsprozess anzunehmen und den organisatorischen Rahmen einzuhalten. Wir müssen weg von der Animationsmentalität, zurück zu geordneten und sinnvollen methodischen Trainingsabläufen.
Im Bereich der mentalen Ebene sollten wir uns hinterfragen, wie und wann es Sinn macht, Kinder in den Wettkampf der 1:1-Situation zu schicken. Hier scheitern schon die meisten Erwachsenen. Und wie oft kommt es vor, dass Kinder ohne gezielte Vorbereitung und Betreuung in die Drucksituation gebracht werden?
Altersgerechte Bewegungsfertigkeiten lernen und zeitgleich an erste Schlüsselelemente aus der Tennistechnik herangeführt werden, ist also das A und O in der Arbeit mit den Kleinsten?
Im Vordergrund steht für mich eine kombinierte spiel- und technikorientierte Vermittlung. Das heißt, eine hohe Anzahl von Übungsformen zur Ballsteuerung, kombiniert mit Übungsformen zur Technikvorbereitung und dem Technikerwerb. Das Integrieren der technischen Schlüsselelemente in einfache Basissituationen, um eine Verbindung von technischen Fertigkeiten mit kognitiven (taktischen) Prozessen zu gewährleisten. Und die Möglichkeit einer offenen und flexiblen Anwendung in Match- und Wettkampfformen zur Überprüfung der Umsetzungsfähigkeit. Als methodisches Steuerungskonzept sollte immer die Ausdifferenzierung über die Druckbedingungen erfolgen.
Haben Sie gezielte Tipps, wie ein Training mit den Kleinsten aufgebaut sein sollte? Und wie verändern sich diese Elemente im Vergleich zum Training mit älteren Tenniseinsteiger:innen?
Meine Vorgehensweise differenziert eher in Bezug auf Platzgröße, Platzgeometrie, Einsatz der Bälle und homogenen Kleingruppen. Es gibt vier Blöcke, in denen durch die spezifische Auswahl von passenden Übungsformen folgende Inhalte gelernt und später trainiert werden. Der erste Block umfasst hinführende Übungen zur Entwicklung der Bewegungsstruktur, Beinarbeit und Platzabdeckung sowie Ballkontrolle und Ballsteuerungssequenzen. Im zweiten Block der Einheit geht es um den Aufbau der Zieltechnik und das Erreichen einer hohen Ballkontaktzahl sowohl durch trainerbasierte als auch schülerbasierte Drills. Im dritten Block stelle ich durch ein spezifisches Traineranspiel die gewünschte Situation in einer 1:1 Organisationsform her. Der vierte Block der Einheit ist in der Regel ein Anwendungs- Spiel oder eine Wettkampfform um Punkte.
Welche Rolle spielen Trainer: innen im Jüngstenbereich? Müssen die Besten an die Basis?
Meine Empfehlung wäre, für jede passende Zielgruppe die optimalen Übungsleiter:innen oder Trainer:innen einzusetzen. Selbst ein Headcoach wird nicht erfolgreich sein, wenn er keine Lust auf eine bestimmte Zielgruppe hat. Aus meiner Sicht müssen die Vereine in Zukunft mehr differenzieren und sich ein passendes Trainerteam und die passenden Trainer:innen rekrutieren. Welches Kind möchte nur einmal die Woche spielen und hat keine Lust auf Wettkamp?. Oder welche Kinder sind motiviert, wollen mehrmals die Woche trainieren, und lieben es in einer Mannschaft zu spielen? Wer ist talentiert und muss dementsprechend gefördert werden? Zum Beispiel braucht man bei den 3-4-jährigen optimal ausgebildete Übungsleiter, und diese müssen nicht unbedingt aus dem Tennissport kommen. Auch sollten sich die Trainer:innen hinterfragen, in welchem Bereich sie schwerpunktmäßig arbeiten möchten.
Die Beziehung zwischen Kind und Trainer:in wird in dieser Altersklasse auch über das Verhältnis zwischen Trainer:in und den Erziehungsberechtigten geprägt. Wie wichtig sind Eltern im Jüngstentennis? Und wie sollten Trainer: innen damit umgehen, wenn das Gefühl besteht, es mit „überehrgeizigen“ Eltern zu tun zu haben?
Ohne Eltern geht im heutigen Leistungstennis nichts mehr. Wichtig ist es hier, eine gesunde Basis aufzubauen, von der alle Beteiligten, insbesondere das Kind profitieren. Aus meiner Erfahrung heraus sollten Trainer:innen zu ihren Maßnahmen und Trainingsinhalten stehen, und die Aufgaben der Eltern müssen klar an diese kommuniziert werden. Wie sehen zum Beispiel Abläufe bei Training und Wettkampf aus? Was kosten die notwendigen Trainingsumfänge, was kostet eine individuelle Betreuung? Wie sieht die Kommunikation mit Bezirks-, Verbands-oder Base-Trainer:innen aus?
Auch sollte der Trainer oder die Trainerin für sich eine Kommunikationsstrategie festlegen und mit den Eltern besprechen. Wann, und wie oft und wo werden Gespräche geführt, es gibt keine Gespräche vor und nach dem Training, bestimmte Anrufzeiten und Einschränkung von WhatsApp- oder Mailnachrichten. Wichtig ist, dass ich mich als Trainer:in mit meiner Trainerrolle in diesem Bereich identifiziere und wohlfühle!
Die DTB Basis Schule, tennis 10s, Play&Stay, Talentinos – es gibt zahlreiche Konzepte, die, vom DTB unterstützt, den Weg in die Vereine finden. Wie ist der Jüngstenbereich in Deutschland aufgestellt? Luft nach oben oder alles prima?
Play&Stay ist nach wie vor die Grundlage aller Konzepte und ist für mich nach wie vor die Erfolgsgeschichte schlechthin. Aus meiner Sicht sollten wir hier ansetzen und die Play&Stay-Initiative der heutigen Zeit anpassen und relaunchen.
Das neue DTB-Kinder- Konzept geht in die richtige Richtung, ist sehr modern aufgestellt, und fasst noch einmal alle nationalen und internationalen Entwicklungen bezüglich Jüngstentennis zusammen. Es wird für die Zukunft sowohl in der Ausbildung als auch den Vereinen und den Trainern als Grundlage für ein strukturiertes Kindertraining dienen.
Aber entscheidend wird immer die Umsetzung auf dem Platz sein. Und hier brauchen wir Trainer:innen, die sich mit der Zielgruppe identifizieren und die Kinder auf der Basis ihrer Möglichkeiten weiterentwickeln.
Alexander Jakubec – herzlichen Dank für das Interview!